Wertmodell

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Low Performance?

Wertschätzung als Herausforderung für die Führungsebene

In großen Organisationen kommt es auf den verschiedenen Hierarchiestufen zu einer markanten Verschiebung der Wahrnehmung: Während 85 Prozent der Führungskräfte davon ausgehen, dass sie ihren Mitarbeiter:innen Wertschätzung entgegenbringen, bestätigen das nur rund 40 Prozent der Arbeitskräfte. Bei einer Studie von Compensation Partner gaben 45 Prozent fehlende Wertschätzung durch die Führungskraft als Hauptgrund für die Kündigung an. Damit liegt sie auf Platz Eins noch vor zu niedrigem Einkommen.

Als Berater:innen und Coachs empfehlen wir in solchen Fällen, das Thema offen anzusprechen und es als Mitarbeitende von der Führungsetage aktiv einzufordern. Im Rahmen des St. Galler Coaching Modells ist es fester Bestandteil unserer Vorgehensweise.

Wenn Konflikte die „Büchse der Pandora“ verlassen

Wir bereiten die Führungskräfte vorab darauf vor. Oft brodelt schon etwas unter der Oberfläche, aber die Chefetage hält den Deckel drauf. Manche Menschen können das gut ertragen, andere frustriert es. Letztere entscheiden sich häufig für einen Arbeitsplatzwechsel und gehen. Deshalb öffnen wir im Verlauf des Coachings diese „Büchse der Pandora“. Das ist ein kraftvolles Momentum.

In einem mehrtätigen Team-Workshop schaffen ein konstruktives Setting, einen „Problemraum“. Wichtig ist, mit den richtigen Tools spielerisch eine gemeinsame Basis zu erarbeiten, um am zweiten Tag solche Themen auch adressieren zu können. Wenn die „Büchse der Pandora“ geöffnet wird, geht es zur Sache, meist hat es am ersten Workshoptag aber bereits „geknallt“ und sich vieles gelöst. Im „Problemraum“ kommt jede:r nach vorne und darf sein oder ihr Problem benennen. Zum Beispiel: „Ich fühle mich nicht ernstgenommen.“

Führungskräfte müssen an diesem Punkt Kritik annehmen. Wenn die Mitarbeitenden zum Beispiel darauf hinweisen, dass sie das Gefühl haben, dass viel geredet, aber nicht genug gehandelt wird, ist das sicher nicht angenehm. Während an anderer Stelle die Zusammenarbeit damit vielleicht beendet wäre, finden sich in unserem Coaching durch Vorbereitung und Begleitung gute Möglichkeiten, gemeinsam Lösungsstrategien und neue Kommunikationswege zu entwickeln.

Was die Fluktuationsrate über Führung aussagt

Vorgesetzte sind auch nur Menschen. Sie können nicht unbedingt mehr, sind nicht zwangsläufig schlauer oder reicher. Manche sind durch eine gute Ausbildung oder lange Betriebszugehörigkeit dort gelandet. Wirkliche Führungsqualitäten spielten oft nur eine untergeordnete Rolle. In klassischen Hierarchien hat das mehr oder weniger funktioniert. Aber die nächste Generation, die sogenannte Generation Z, wird sich das nicht gefallen lassen. Sie sind hervorragend ausgebildet und haben eine große Auswahl an Möglichkeiten. Gegen solche altmodischen Modelle werden sie schnell rebellieren und wieder gehen. Die nächste Stelle wartet schon.

Was sich aktuell noch viele Unternehmen nicht bewusst machen, ist, wie teuer eine hohe Fluktuationsrate für das Unternehmen ist. In solchen Situationen versuche ich, den Ursachen genau auf den Grund zu gehen. Gab es

strukturelle oder personelle Veränderungen? Was ist die Führungsetage bereit zu geben und zu verändern? Was sind die aktuellen Treiber? Wie sehen derzeit der Markt und der Wettbewerb aus?

Bei Kunden mit hoher Personal-Fluktuation hake ich nach: Was unternehmen Sie im Bereich Führung? Nichts. Wie entwickeln Sie Ihre Mitarbeiter:innen weiter? Gar nicht. Da haben wir dann schon ein Grundproblem. Auch die Krankheitsraten sollte man sich als Indikator anschauen.

Zudem hat die Covid-19-Pandemie unser Wertebewusstsein verändert. Viele haben sich Gedanken gemacht, was für sie wirklich zählt. Immer mehr Menschen suchen einen Sinn in ihrer Arbeit. Fehlt die Identifikation mit dem Beruf oder dem Arbeitgebenden, führt dies häufig zu Unzufriedenheit. Gleichzeitig fehlte es durch Home-Office und Stress an Wertschätzung. Dafür tragen Manager:innen und Team Leader die Verantwortung. Es liegt an ihnen, ein Klima zu schaffen, in dem sich die Menschen wahrgenommen, respektiert und wertgeschätzt fühlen. Leistung und Engagement können sich nur entfalten, wo Vertrauen herrscht und gegenseitige Anerkennung gelebt werden.

Wie kommt der Mensch in die Werterfüllung?

Zunächst einmal sind Werte etwas sehr Individuelles. Jede:r hat diesbezüglich andere Vorstellungen. Und die Erfüllung kommt von innen – aus mir selbst. Das ist auch vollkommen richtig. Die Frage ist, wie ich meine Werte im Unternehmen, in der Organisation oder im Team mit Leben füllen kann. Beispielsweise kann man gemeinsam ein Wertesystem aufbauen, in dem sich jede:r wiederfindet. „Dafür stehen wir. Dafür leben wir. Das sind wir!“

Aber wir sind nicht losgelöst – von der Organisationsstruktur oder der Welt. Es gibt immer ein Außen, das diese Werte verletzen kann. Das kann auch von der Führungsebene kommen. Ich halte mit meinen Teams üblicherweise die Werte-Kultur schriftlich fest. Wir schreiben sie groß auf ein Plakat und hängen es in einem großen Rahmen auf. So sehen wir es jeden Tag und leben danach. Gibt es Konflikte, stellen wir uns gemeinsam vor unseren Werten und überlegen, wie sie uns helfen können, die Situation aufzulösen. Das Aufhängen wird hin und wieder „von Oben“ belächelt. Dabei ist das die Definition der neuen Form von Zusammenarbeit. Immer wieder gibt es Führungskräfte, die sich da nicht wiederfinden. Sie erwarten, dass weiterhin alles genau nach ihrem Willen läuft. Es findet eine Machtverschiebung statt, denn nun dürfen beide Seiten Erwartungen an das Gegenüber stellen. Wer sich als Chef oder Chefin damit nicht identifizieren kann, teilt nicht das gleiche Wertesystem. Das wiederum erschwert die weitere Zusammenarbeit und den angestoßenen Veränderungsprozess.

Change ist für alle eine Herausforderung, an der jedoch jede:r wachsen kann. Aus Erfahrung wissen wir, dass Geduld, Offenheit und echtes Interesse an Bedürfnissen der Schlüssel für ein Gelingen sind. Das gilt im Kleinen wie Großen.

Euer Wertmodell-Team